Aufruf zur Solidarität von Hans Branscheidt [medico international]

Zweihundertfünfzig werden mehr

Eine der gelungensten und integersten demokratischen Aktionen ereignete sich im Juni 2001, initiiert für die der Öffentlichkeit des virtuellen Netzes. Von 150 namhaften Organisationen aus den Sphären der Menschenrechtsarbeit, der Asylpolitik, von Gewerkschaften und NGO's begrüßt, gefördert, mitgetragen und vor allem aufgerufen, beteiligten sich schließlich 13 000 Menschen an der Aktion gegen die Deutsche Lufthansa: im vereinten Protest gegen die routiniert vollzogene Abschiebungspraxis.

Millionenfach tätigten demokratische Menschen entschiedene "Klicks" wählten kumulativ die Webseite der Lufthansa an, die dadurch zeitweilig blockiert wurde. Nun behauptet die Lufthansa eine dadurch verursachte wirtschaftliche Schädigung und meint vor allem aber ein Geschäft, dass ihr dadurch zu entgehen droht, wenn es ihr unmöglich gemacht werden sollte, weiterhin lukrative Zwangabschiebungen von gefesselten Passagieren samt den regulär zwei beamteten Begleitern durchführen zu können. Mitte des Jahres schon hatte die Pilotenvereinigung Cockpit und zugleich auch die ÖTV ihren Mitgliedern empfohlen, die Mitnahme von Personen zu verweigern, die sich gegen ihre Verschubung wehren oder gefesselt sind.

Gegen diese Aktion und gegen deren demokratische Intention haben nun am 15. Oktober Polizei und Staatsanwaltschaft zugeschlagen. Den Verantwortlichen der beteiligten Internet-Domains www.libertad.de und www.sooderso.de wurde ein gegen sie eingeleitetes Verfahren wegen Nötigung (§ 111, 240 StGB) zur Kenntnis gebracht. Büroräume wurden verwüstet, Computer beschlagnahmt und ein nennenswerter wirtschaftlicher Schaden verursacht. Und irgendwo im Hintergrund wird auch der deutsche Repressions-Präzeptor Otto Schily Regie geführt haben.

Die Online-Demonstration gegen die Lufthansa hat nicht mehr und nicht weniger realisiert als das, was die soeben beendete UN-Konferenz gegen Rassismus in Durban nicht nur gefordert, sondern als Praxis allen Bürgerinnen und Bürgern der Welt und den NGO's verpflichtend auferlegt hat. Die moralische Legitimität und die von den Vereinten Nationen gestützte Legalität des Protest gegen die Lufthansa darf nicht in Deutschland in Straftat und Verbrechen umgewandelt werden.

Als einer der Unterzeichner und Aufrufer der Onlinedemo bitte ich Sie ganz herzlich, ihr persönliches Veto einzulegen - gegen den Abbau von demokratischen Rechten und Pflichten, die im aktuellen Kontext des planmäßigen Beseitigung von Bürgerrechten durch "Sicherheitspakete" folgenreich erkennbar wird. Beteiligen Sie sich unverzüglich an einer Kampagne des demokratischen Einspruchs bei den Polizeien und Staatsanwaltschaften. Richten Sie denselben Protest an die Lufthansa. Per Fax, per eMail, Brief oder Telefonat:

Deutsche Lufthansa AG, Vorstandsvorsitzender Jürgen Weber:
juergen.weber@dlh.de
Von-Gablenz-Strasse 2-6, 50679 Köln,
Pressestelle Konzern und Passage
Tel: 069 696 2999, Fax: 069 696 95428

Amtsgericht Frankfurt
Gerichtsstraße 2 60313 Frankfurt
Tel: 069 13 67 01, Fax 069 - 13 67 20 30

Staatsanwaltschaft Frankfurt
Konrad Adenauer Str. 20
60313 Frankfurt/Main
Fax 069 - 13 67 21 00

Polizeipräsidium Frankfurt. eMail: ppffm-presse@t-online.de

Spenden Sie unbedingt und bitte großzügig auf das Libertad!-Konto. Damit die Arbeit weitergeht. Damit sofort der wirtschaftliche Schaden und die Beschlagnahme der technischen Kommunikationsgeräte kompensiert wird.

Damit vor allem aus der primären Aktion der Onlinedemo, die nun inkriminiert wird, sinnvoll die zweite Kampagne hervorgeht: um die Zwangsabschiebungen nun erst recht zu verhindern, und zugleich jetzt darüber hinaus die Freiheit der Versammlung im Internet zu erkämpfen.

ZWEIHUNDERTFÜNZIG WERDEN MEHR! - Der Stein, den sie aufgehoben haben, soll auf ihre eigenen Füße fallen.

Frankfurt am Main 18.10.2001,
Hans Branscheidt, medico international

P.s.: Zu prüfen ist die Wirkung und die Umstände einer eventuellen Selbstanzeige der Repräsentantinnen und Repräsentanten der 150 (und mehr) Organisationen und Träger des Aufrufs zur Onlinedemo. Sie könnten uns bitte mitteilen, ob Sie potentiell dazu bereit wären. Wobei wir erst nach verbindlicher Rücksprache mit Ihnen auf die Verwirklichung einer solchen Maßnahme zu sprechen kämen.

SPENDENKONTO
Förderverein Libertad! e.V.
Ökobank, BLZ 50090100
Spendenkonto 202 15810
Stichwort "Onlinedemo"

Bitte senden Sie eine Kopie ihres Protestschreibens und sowie ihre etwaige Bereitschaft für eine mögliche Selbstanzeige elektronisch an: yes2demo@yahoo.com

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