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Was ist das Ziel der Deportation.Class Kampagne?
Ziel der Proteste werden auf deutschen und europäischen Flughäfen in der nächstne Zeit ist es, Abschiebungen zu verhindern und in diesem Zusammenhang auf die fragwürdige Rolle vieler Fluggesellschaften hinzuweisen. So wird der Vorstand der Lufthansa auf das Geschäft mit den Abschiebungen erst verzichten, wenn das Image der Fluggesellschaft auf dem Spiel steht. Deshalb startet »Kein Mensch ist illegal« eine internationale Kampagne. Ziel ist es, die Airline zum Einlenken zu bewegen: Keine Abschiebungen mehr mit Lufthansa!
Ist dies nicht eine völlig unrealistische Forderung?
Diese Forderung dürfte eigentlich nicht zuviel verlangt sein. Und deswegen werden wir überall auftauchen, wo die Lufthansa präsent ist, im Internet, vor den Fugschaltern auf den Airports, bei den Niederlassungen der Lufthansa, in Reisebüros. Wir werden alle Mitarbeiter der Gesellschaft auffordern, den Transport von »Schüblingen« abzulehnen, und sie und die Fluggäste über Möglichkeiten des Protestes gegen Abschiebungen aufklären. Denn nicht nur der Bundesgrenzschutz und die Geschäfts-führungen der Luftfahrtgesellschaften tragen Verantwortung für Abgeschobene. Auch Piloten, Stewardessen, das Bodenpersonal und Polizisten können sich weigern, als willfährige Handlager der staatlichen Abschiebpolitik zu fungieren und damit womöglich das Leben von Flüchtlingen retten. Flugkapitäne sind nicht nur für die Sicherheit, sondern auch das Leben und die körperliche Unversehrtheit an Bord verantwortlich.
Was kann ich tun, wenn ich eine Abschiebung in einem Linienflug beobachte?
Um dem verzweifelten Protest von Flüchtlingen zum Erfolg zu verhelfen, bedarf es oft gar nicht viel. Manchmal genügen laute Worte oder die schlichte Weigerung von Passagieren, sich beim Start der Maschine hinzusetzen. Wir fordern deshalb auch die Fluggäste auf, gegen Abschiebungen zu protestieren. Zeigen Sie Zivilcourage!
Welche Beispiele gibt es für die Brutalität der gängigen Abschiebepraxis?
Am 28. Mai 1999 starb Aamir Ageeb an Bord der Lufthansa-Machine LH 558 nach Kairo. Drei Beamte des Bundesgrenzschutzes hatten den 30jährigen Sudanesen derart misshandelt, dass er erstickte. Die Grenzschützer hatten ihm einen Motorradhelm aufgesetzt, ihn an Händen und Füßen gefesselt und beim Start der Maschine mit aller Gewalt seinen Kopf zu den Knien gedrückt. Ageeb war nicht das erste Opfer der brutalen Abschiebepraxis in einem Flugzeug der Lufthansa. Im August 1994 war der Nigerianer Kola Bankole ebenfalls in einer Lufthansa-Linienmaschine getötet worden. Grenzschützer hatten den herzkranken Asylbewerber wie ein Paket verschnürt, ihm einen Strumpfknebel in den Mund geschoben und ein Arzt hatte eine Beruhigungsspritze verabreicht. Kola Bankole starb noch vor dem Start der Maschine auf dem Rhein-Main-Flughafen.
Kommt es auch in anderen Ländern zu Todesfällen bei Abschiebungen?
Brutalität bei Abschiebungen vob Flüchtlingen ist nichts typisch Deutsches. Blicken wir nach Belgien: Dort löste der Tod Semira Adamus im Herbst 1998 einen Sturm der Entrüstung aus, so dass der Innenminister zurücktreten musste. Die Nigerianerin war von Polizisten bei der Abschiebung nach Lagos mit einem Kissen erstickt worden. Auch in Österreich geriet der Innenminister unter Druck, nachdem am 1. Mai 1999 der Nigerianer Marcus Omofuma bei der Abschiebung von Wien nach Sofia unter Leukoplaststreifen erstickt war. Und nach Protesten von Passagieren gegen die brutale Abschiebepraxis zog die Swissair im vergangenen Oktober erste Konsequenzen aus dem Tod des Palästinensers Khaled Abuzarifeh, der im März auf dem Flugplatz Kloten erstickt war. Die Fluggesellschaft stornierte die sogenannten »Level 3«-Ausschaffungen. Seitdem weigert sich das Flugpersonal der Swissair, von der Kantonspolizei gefesselte, geknebelte oder mit Betäubungsmittel »ruhig gestellte« Abschiebehäftlinge mit an Bord zu nehmen. Kampagnen in Belgien und in den Niederlanden haben die europäischen Fluggesellschaften verunsichert. Die niederländische Martin Air sah sich als erste Airline gezwungen, das schmutzige Geschäft mit den Abschiebungen aufzugeben. Nach dem Mord an Semira Adamu stellte auch die belgische Gesellschaft Sabena den gewaltsamen Transport von Abschiebehäftlingen ein. Andere Fluglinien wie die französische Gesellschaft Air France und die niederländische KLM fürchten ebenfalls um ihr Image.
Und wie verhielt sich die Lufthansa bisher?
Auch die deutsche Lufthansa sieht sich seit der Protestaktion auf der Aktionärsversammlung in der Kritik. Aufgrund von Protesten am Flugschalter in Paris-Orly stoppte die Lufthansa schon zweimal die Abschiebungen, buchstäblich in letzter Minute. Offensichtlich hat auch die größte deutsche Fluggesellschaft ein Imageproblem. Doch die Lufthansa will auf das lukrative Geschäftsfeld bisher nicht verzichten. Nachdem 1985 zwei Flüchtlinge bei ihrer Abschiebung nach Damaskus den Stewardessen Glasscherben an den Hals gesetzt hatten, um den Piloten zur Umkehr zu bewegen. Die Fluggesellschaft reagierte prompt auf den Zwischenfall und weigerte sich, Abgeschobene ohne Sicherheitsbeamte zu transportieren. Doch ein Jahr später waren die Bedenken des Vorstandes gegen das Geschäft mit den Abschiebungen verflogen - rund acht Millionen Mark Umsatz verlor die Aktiengesellschaft in diesem Jahr, berichtete der stern. Seitdem wird die Hälfte von 10.000 Flüchtlingen, die jährlich allein vom Rhein-Main-Airport aus abgeschoben werden, mit Linienmaschinen der Lufthansa ausgeflogen. Um bei den Passagieren kein Aufsehen zu erregen, werden die »Schüblinge« - so der Sprachgebrauch des BGS - über die hintere Flugzeugtreppe in die Maschine verfrachtet und in die letzte Reihe bugsiert, schließlich ist man bei der Airline um Diskretion bemüht.
Wer ist eigentlich verantwortlich für die Situation an Bord eines Flugzeuges?
Fluggesellschaften sind verantwortlich für Misshandlungen, die Abgeschobenen durch BGS-Beamte oder durch eigenes Sicherheitspersonal zugefügt werden. Dies ist die Konsequenz aus dem Tokioter Abkommen von 1963, das die Verantwortlichkeit für Maßnahmen an Bord regelt und in Deutschland durch Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes umgesetzt ist. Inzwischen bestreitet niemand mehr, dass allein die Flugkapitäne für Zwangsmaßnahmen an Bord zuständig sind - sobald die Flugzeugtüren geschlossen sind. Sie allein sind Inhaber der »Bordgewalt« und verpflichtet, die Sicherheit an Bord zu gewährleisten. Die Begleitbeamten des Bundesgrenzschutzes sind hingegen den übrigen Passagieren gleichgestellt, sie können keine Amtshandlungen mehr vornehmen. Gleichwohl versuchen die Fluggesellschaften und die Pilotenvereinigung Cockpit weiterhin, die Verantwortung an den Staat zu delegieren.
Warum wollen sich Piloten und Luftfahrtunternehmen vor ihrer Verantwortung drücken?
Die Frage nach der Verantwortung ist nicht nur akademischer Natur. Die Konsequenzen sind vielfältig. So hängt die zivilrechtliche Haftung im Falle der Verletzung oder gar Tötung des abgeschobenen Passagiers durch BGS-oder Polizeibeamte nicht zuletzt davon ab, in wessen Aufgabenbereich diese tätig geworden sind. Unterstützen sie den Piloten bei der Ausübung der Bordgewalt, so sind sie dessen Hilfskräfte. Damit haftet nach arbeitsrechtlichen Prinzipien letztlich der Arbeitgeber des Kapitäns, also die Fluggesellschaft. Werden die Begleitbeamten vom Flugkapitän nicht autorisiert, so haften sie persönlich und mit ihrem gesamten Vermögen. Die Normen, die die Haftung des Staates für Schäden bei hoheitlichen Handlungen begründen, gelten nicht, denn eine Hoheitsgewalt gibt es nicht mehr. Kein Wunder, dass die Gewerkschaft der Polizei auf der Verantwortung der Airline beharrt. Auch strafrechtlich können im Falle einer Verletzung oder gar Tötung des Passagiers sowohl die handelnden Beamten als auch der Flugkapitän zur Rechenschaft gezogen werden. Da nämlich der Kapitän eine sogenannte »Garantenstellung« innehat und gesetzlich verpflichtet ist, für die Sicherheit der Passagiere zu sorgen, sind ihm die Folgen seiner pflichtwidrigen Unterlassung zuzurechnen. Umso mehr haben Flugkapitäne Grund, den Transport von Zwangspassagieren abzulehnen.
Welche Verantwortung tragen die Fluggäste?
Passagiere, die Vorfälle beobachten, bei denen unmittelbare Gefahr für Leben oder körperliche Unversehrtheit eines Mitpassagiers besteht, sind ebenfalls in der Pflicht. Wegschauen ist unterlassene Hilfeleistung und gemäß § 323 c StGB strafbar. Wer eingreift, handelt rechtmäßig und hat nicht zu befürchten, wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte belangt zu werden. Im Falle von Zwangsmaßnahmen an Bord müssten eigentlich die Passagiere gegen die Polizeibeamten vorgehen, da diese in einem rechtsfreien Raum handeln. Das sieht imübrigen auch die Gewerkschaft der Polizei so.
Ist die Lufthansa zur Beförderung von Zwangspassagieren verpflichtet?
In der aktuellen Debatte verweist die Lufthansa immer wieder auf ihre sogenannte "Beförderungspflicht" und behauptet, zur Beförderung der Zwangspassagiere gesetzlich verpflichtet zu sein. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der Rückbeförderungspflicht der Beförderungsunternehmer gemäß § 73 AuslG und der allgemeinen Beförderungspflicht nach § 21 Abs. 2 LuftVG. Die im Ausländergesetz verankerte Rückbeförderungspflicht trifft das Beförderungsunternehmen, das die eingereiste Person nach Deutschland transportiert hat. welches die nach einem unerlaubten Einreiseversuch zurückgewiesene Person nach Deutschland transportiert hat. Weigert sich das Unternehmen, so soll nach den "Bestimmungen über die Rückführung ausländischer Staatsangehöriger 2000" die Beförderung durch ein anderes Unternehmen ausgeführt und die Kosten der verantwortlichen Gesellschaft in Rechnung gestellt werden. § 21 Abs. 2 LuftVG schränkt die Vertragsfreiheit des Linienfluggesellschaften ein. Danach sind Fluglinien im Linienverkehr verpflichtet, Verträge über die Beförderung von Personen oder Sachen abzuschließen, wenn die Beförderung mit den regelmäßigen Beförderungsmitteln möglich ist. Die Einschränkung der Vertragsfreiheit durch einen sogenannten "unmittelbaren Abschlußzwang" ist darin begründet, daß Personenverkehr als ein wichtiger Teilbereich der Daseinsvorsorge angesehen wird. Eine gleichlautende Regelung findet sich im Personenbeförderungsgesetz. Ähnliche gesetzliche Bestimmungen finden sich für die Versorgung mit Strom und Gas, die verbliebenen Monopolleistungen der Post, die Beratungshilfe durch Rechtsanwälte und die Pflegeversicherung. Die genannten Beispiele und die rechtshistorische Entwicklung zeigen, daß die Beförderungspflicht gewährleisten soll, daß jeder Kunde die von ihm selbst gewünschte Dienstleistung erhält. Eine Verpflichtung, Passagiere gegen deren Willen zu transportieren, läßt sich hingegen aus § 21 Abs. 2 LuftVG nicht ableiten. Anzumerken ist noch, daß sich die Lufthansa gemäß § 21 Abs. 3 LuftVG von ihrer Verpflichtung, jegliche Art von Abschiebungen durchzuführen, befreien lassen könnte, wenn die Durchführung von Abschiebungen für das Unternehmen aus ethischen oder wirtschaftlichen Gründen unzumutbar wäre. Dies hat die Lufthansa getan, als es um den Transport tropischer Ziervögel ging. Offenbar hat die Lufthansa größere Bedenken gegen den Zwangstransport von Tieren als von Menschen.
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