source: junge Welt | Interview: Peter Nowak
Antirassistisches Grenzcamp in Strasbourg: Strassentheater Gefahr fuer die Oeffentlichkeit?
27.Jul.02 - jW sprach mit Jens Plath, Mitglied der Pressegruppe des antirassistischen Grenzcamps in Strasbourg
F: Die franzoesische Polizei reagiert mit Repression auf das Grenzcamp. War es von Anfang an so schlimm?
Zunaechst hat sich die Polizei total zurueckgehalten und sich auf den Demonstrationen nicht eingemischt, obwohl dabei zahlreiche politische Parolen gesprueht wurden. Ab Mitte der Woche hat sich dann die Polizeitaktik geaendert. Auf einer Demonstration gegen Abschiebeknaeste wurde am Mittwoch in der Strasbourger Innenstadt von der Polizei aus einer Entfernung von lediglich eineinhalb Metern mit Gummigeschossen auf einen Demonstranten gezielt, der "gluecklicherweise" nur mit einem gebrochenen Bein im Krankenhaus liegt. Bei dieser Demonstration wurden 16 Menschen festgenommen, davon elf aus Deutschland. 14 Personen wurden am Donnerstag wieder freigelassen, zwei sind am Freitag dem Haftrichter vorgefuehrt worden.
F: Ausserdem gibt es jetzt ein Demonstrationsverbot im Raum Strasbourg. Wie wurde das begruendet?
Der Praefekt der Region Strasbourg hat nach der Demonstration vom Mittwoch alle Versammlungen des Camps bis zum kommenden Montag verboten. In der Verbotsbegruendung heisst es, dass von dem Camp eine Gefahr fuer die Sicherheit und Ordnung ausgehe und dass die Stadt Strasbourg in der kurzen Zeit nicht genuegend Polizei mobilisieren kann, um die Sicherheit in der Stadt zu gewaehrleisten.
F: Welche Auswirkungen hat diese Verfuegung fuer das Camp?
Es schraenkt die Arbeit enorm ein. Denn vom Verbot ist auch die taegliche Karawane in die Banlieues von Strasbourg betroffen. Dort sollte auf die schwierige soziale und rechtliche Situation der Migranten in den Vororten aufmerksam gemacht werden. Auch das taegliche Strassentheater der Wiener Volkstheaterkarawane vor dem Strasbourger Hauptbahnhof kann nicht stattfinden. Fuer Freitag war eine Blockade der Strasbourger Innenstadt geplant, um symbolisch die Aussengrenzen Europas deutlich zu machen. Ebenfalls verboten ist die grosse Abschlussdemonstration zum Zentralcomputer des Schengen-Information-System SIS, in dem u.a. die Daten von Hunderttausenden abgeschobener oder zur Abschiebung ausgeschriebener Migranten gespeichert sind.
F: Wie ist Berichterstattung der oertlichen Medien?
Die Berichterstattung war anfangs nicht schlecht. Sowohl Radios als auch lokale Zeitungen als auch das franzoesische Fernsehen berichteten angemessen objektiv. Nach den Demonstrationen ueberwog dann allerdings die Sensationsberichterstattung.
F: Wie reagieren die Campteilnehmer auf die bisherigen Aktionen?
Die Aktionsformen werden kontrovers diskutiert. Ich habe allerdings den Eindruck, dass sich die Tendenz durchsetzt, kreative und kommunikative Aktionsformen staerker aufzugreifen.