Deportation Class
    telepolis 23.05.2001, Peter Nowak

Internetdemonstration gegen die Lufthansa: Tag X für den Kranich

Die Lufthansa kommt nicht zur Ruhe. Waren es in den letzten Tagen streikende Piloten die für Gedränge vor den Flughafenschaltern sorgten, so droht der Fluggesellschaft am 20.Juni ein virtuelles Gedränge. Für diesen Tag haben Antirassismusgruppen und die Gefangenenhifeorganisation Libertad zu einer Internetdemonstration gegen die Lufthansa aufgerufen.

Diese Aktion ist der Höhepunkt einer Reihe von Protesten gegen die Lufthansa. Ihr wird von Flüchtlingshilfeorganisationen und Menschenrechtsgruppen vorgeworfen, an Abschiebungen von Flüchtlingen zu profitieren. Der Hintergrund: Jedes Jahr werden im Durchschnitt bundesweit ca. dreißigtausend Menschen aus Deutschland in ihre Heimatländer abgeschoben. In rund der Hälfte der Fälle dient eine Lufthansa-Maschine als Transportmittel, so die Kritik der Antirassisten. Nur selten kommen diese alltäglichen Aktionen in die Schlagzeilen. So starb 1994 an Bord einer Lufthans-Maschine der Nigerianer Kola Bankole. Im Mai 1999 kam der sudanesische Flüchtling Aamir Ageeb bei seiner Abschiebung ebenfalls in einer Lufthansa-Maschine ums Leben, weil BGS-Beamte ihm einen Helm aufsetzten, der den Kopf derart nach hinten drückte, dass er erstickte. Danach empfahl die Pilotenvereinigung Cockpit ihren Mitgliedern, mit dem Verweis auf die nicht gewährleistete Sicherheit an Bord, einen Transport von Passagieren, die gegen ihren Willen abgeschoben werden sollen oder gar gefesselt sind, zu verweigern. Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) hatte ihre im Lufthansa-Aufsichtsrat sitzenden Mitglieder aufgefordert, sich gegen zwangsweise Abschiebungen auszusprechen. Doch vergeblich, das Lufthansa-Management erklärte, dass hier nur bestehende Gesetze vollstreckt würden.
Seit mehr als einem Jahr wendet sich das Netzwerk  Kein Mensch ist illegal im Rahmen ihrer Kampagne stop deportation class gegen diese Abschiebungen. Bisher beschränkten sich die Aktionen hauptsächlich auf Demonstrationen vor Flughäfen und Lufthansabüros. Am 20.Juni soll mit der Internetdemonstration eine neue Protestform ausprobiert werden. Ähnlich wie bei einer Sitzblockade soll der Zugang der Lufthansa-Homepage versperrt werden. Unter http://go.to/online-demo und http://stop-depclass.scene.as kann eine entsprechende Software runtergeladen werden, die auch Computerunkundigen per Mausblick eine Partizipation an dieser virtuellen Protestform ermöglichen soll.
Die Idee ist simpel. Wenn alle Menschen zum selben Zeitpunkt das Gleiche wollen, droht das große Chaos. So kann ein zeitgleicher Mausklick in der virtuellen Welt des Internet verheerende Folgen haben. Diese Erfahrung musste schon 1998 das mexikanische Finanzministerium machen. Damals haben zapatistische Solidaritätsgruppen aus Protest gegen die Repressionsmaßnahmen der mexikanischen Regierung gegen die aufständischen Indigenas mit einem elektronischen Sit-in das Computersystem zum Absturz gebracht. Doch den Organisatoren der unter dem Motto "Tag X für den Kranich" geplanten Lufthansaproteste geht es nicht in erster Linie um einen materiellen Schaden. Auch das Firmenimage soll angekratzt werden. Ob der Internetdemo gelingt, was die bisherigen Proteste nicht erreichen konnten, wird sich zeigen. Schließlich sind die Kapazitäten der Firmencomputer enorm.