deportation.class - pressemitteilung vom 17.April 2000

   

LH-Pressestelle reagiert auf Anti-Abschiebungskampagne - Wann stoppt die Lufthansa das Geschäft mit Abschiebungen?

Nur zwei Wochen nach dem Start der Kampagne "deportation.class -gegen das Geschäft mit Abschiebungen" versucht die Deutsche Lufthansa AG den Eindruck zu erwecken, prinzipiell zum Einlenken bereit zu sein. In einer am 13. April verbreiteten Erklärung behaupten Sprecher des Konzerns sogar, die Lufthansa lehne Abschiebungen gegen den Widerstand der Betroffenen grundsätzlich ab und befördere sie seit Juni 1999 nicht mehr. "Schön wärs!" entgegnen die Initiatoren der Kampagne. "Diese Erklärung ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurde", sagt Jan Hoffmann vom bundesweiten Netzwerk KEIN MENSCH IST ILLEGAL.

Erst am 13. März 2000 kam es an Bord der Lufthansamaschine LH 4115 von Paris nach Berlin zu einem folgenschweren Zwischenfall. Professor Dr. Klaus-Gerd Giesen von der Universität Leipzig wurde als Fluggast Zeuge, als sich ein afrikanischer Flüchtling verzweifelt gegen seine Abschiebung wehrte. Die Crew, berichtete der Hochschullehrer, habe die Gewaltanwendung durch französische Polizeibeamte tatenlos hingenommen, "obwohl das Opfer schrie und Passagiere protestierten". Erst als Giesen dem Kapitän rechtlich Schritte androhte, sei die Abschiebung abgebrochen worden.

Die Erklärung der Lufthansa, die Prognose der Behörden über die "Gewaltbereitschaft von Deportees sehr kritisch zu prüfen" ist in den Augen der Anti-Lufthansa-Aktivisten zynisch und verdreht die Realität: "Schließlich ist die Abschiebung der Akt der Gewalt und nicht der verzweifelte Versuch von Menschen, die sich aus Angst mit letzter Kraft dagegen auflehnen ", sagt Hoffmann.

Die Behauptung der Lufthansa, Abschiebungen gegen den Widerstand der Betroffenen seit Mitte vergangenen Jahres nicht mehr durchzuführen sei zudem kaum glaubhaft, da der Leiter „Operative Maßnahmen, Abteilung Konzernsicherheit", Neuman, am 16. Dezember öffentlich noch erklärte, die Lufthansa werde lediglich "Deportees, die medikamentös ruhiggestellt werden bzw. einen Helm tragen", nicht zum Flug akzeptieren. "Der Einsatz von Fuß- und Handfesseln und anderen Zwangsmaßnahmen durch den Bundesgrenzschutz wird von der Lufthansa offenbar weiterhin gebilligt", stellt Hoffmann fest.

KEIN MENSCH IST ILLEGAL verlangt von der Lufthansa die Garantie, bei jeder Buchung, oder spätestens vor dem Abflug zu prüfen, ob Passagiere mit dem Flug auch einverstanden sind. Eine solche Versicherung über die Freiwilligkeit der Reise ist bereits jetzt Praxis der belgischen Fluggesellschaft Sabena. Sabena zog damit die Konsequenzen aus dem Tod der 20jährigen Semira Adamu, die im September 1998 an Bord eines Linienfluges von Polizeibeamten mit einem Kissen erstickt wurde.

"Die Gesetzeslage zwingt die Lufthansa keineswegs dazu, Passagiere gegen ihren Willen zu befördern", erläutert die Münchner Rechtsanwältin Gisela Seidler. "Das Luftverkehrsgesetz besagt lediglich, daß jeder, der einen Personentransport mit dem Flugzeug wünscht, auch zugelassen werden muß. Die Beförderungspflicht hat aber nicht zum Inhalt, daß Menschen, die nicht fliegen wollen, geflogen werden müssen." Die Lufthansa sei also juristisch bestens abgesichert, wenn sie den Transport von Menschen gegen ihren Willen ablehnt.

KEIN MENSCH IST ILLEGAL will die Kampagne "deportation class - gegen das Geschäft mit Abschiebungen" fortsetzen - bis die Lufthansa ihre Verantwortung für Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, wahrnimmt.

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»Deportation Class - gegen das Geschäft mit Abschiebungen« ist der Titel einer Kampagne, die »kein mensch ist illegal« Ende März der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Ziel ist, auf Fluglinien, die sich für die Beförderung von gewaltsam in das Flugzeug verschleppten Menschen bezahlen lassen, öffentlichen Druck auszuüben, sowie Passagiere und Bordpersonal zum Eingreifen auffordern. Die Kampagne richtet sich zunächst vor allem gegen die Deutsche Lufthansa, weil die deutsche Airline ihre Flugverbindungen in die ganze Welt für Abschiebungen zur Verfügung stelle und sich so zum willfährigen Handlanger der brutalen Abschiebepraxis mache. Am zweiten Aprilwochenende fanden an vielen deutschen und internationalen Flughäfen erste Aktionen statt.
Das Netzwerk "kein mensch ist illegal" wurde im Juni 1997 auf der documenta X in Kassel gestartet. In wenigen Wochen schlossen sich mehr als 200 Gruppen und Organisationen, sowie tausende von Einzelpersonen einem Appell an, Flüchtlinge und MigrantInnen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus "bei der Ein- oder Weiterreise zu unterstützen, MigrantInnen Arbeit und Papiere zu verschaffen, medizinische Versorgung, Schule und Ausbildung, Unterkunft und materielles Überleben zu gewährleisten." In den letzten drei Jahren hat sich auf der Basis dieses Appells ein vielfältiges und auf verschiedenen Ebenen arbeitendes Netzwerk entwickelt.